Donnerstag, 06.06.2002 - (...) so laufen wir denn ein


Kurs

240°

Position

N  37° 04.6'

Geschwindigkeit

6kn

W   8° 07.4'

Etmal

63sm

Vilamoura, Portugal

Distanz

Gesamt

5299sm

Wetter

30°
1010hPa
5->3 Bft NW
sonnig

unter Segeln

4220sm

unter Motor

1079sm 


Das Versprechen mit den Bildern vom Sonnenaufgang können wir halten (siehe oben) - kurz nach fünf Uhr lokaler Portugalzeit (das ist eine Stunde vor MESZ; warum die Liebhaber des Fado ihre eigene Zeit haben, konnten wir nie herausfinden) ging Achtern Steuerbord ein goldgelber Feuerball auf (die Nacht selber war erleuchtet von einem intensiven Sternenhimmel und einem nach Mitternacht aufsteigenden Neumond).

Lipper und Markus teilten sich da gerade die Wache und so konnte sich unser Bordliterat den ungebremst herausschießenden Gedichtsergüßen von Don Lippero hingeben (z.B. "Gülden geht die Sonne auf, Silbervögel fliegen, frisch gef... steht Mutti auf, Papi bleibt noch liegen" oder "Durch stürmische Seen bin ich gesegelt, hab Winden und Wellen getrotzt, nun bin ich in den Hafen Deines Herzen gelaufen, Du hast mir einen Hort geboten").

Markus hatte erfolgreich die Positionen bestimmt (dank GPS auch gar nicht schwer) und so lief die Julia am sechsten Juni anno Domini 2002 um neun Uhr siebenundvierzig nach 5299 Seemeilen sicher und wohlbehalten im Bestimmungshafen Villamoura ein. Das Glück war den vier Crewmitgliedern, die von Anfang bis Ende dabei waren, sichtlich anzumerken (siehe 2. Bild von oben). Laßt uns knien, ihr selig Glück zu preisen.

Am Reception Pier (Empfangskai) fielen sie sich dann auch erst mal in die Arme; Markus, der die Emotionen mit psychologischem Interesse aus sicherer Entfernung betrachtete, wird dieses Motiv sicherlich noch in einer Kurzgeschichte verarbeiten. Danach wurde kurz getankt (funktioniert auch nicht anders, als mit dem Auto an einer normalen Tankstelle), beim Hafenmeister angemeldet und an Pier "S" in der reservierten Box festgemacht. Die anschließend geköpfte Flasche Champagner tat ihren Teil, um die Eindrücke weiter zu vertiefen (und den einen oder anderen anschließend den Schlaf der Nachtwache selig nachzuholen).

Blauer Himmel, Temperaturen weit über 20 Grad (allerdings nur in der Sonne; ohne "Big Osram" nur noch gefühlte 15 Grad) und ein verlockender Strand trieb nach und nach die Segler aus ihren Kojen und an den Platja (= Playa auf portugiesisch). Nur Lipper machte gut Freund mit den Locals und fing an, am Schiff und seinen vielen Macken und Blessuren zu basteln (es wird gemunkelt, daß er mit einem der Vercharterer im Herbst eine Spezialwerkstatt für Ferrari-Sportwagen, Yamaha-Außenbordern und Bavaria-Schiffsdieseln eröffnen wird).

So verging langsam der Tag. Abends dann Duschorgien in den marmorgetäfelten Bädern des Yachtclubs (nichts gibt es umsonst, das wird uns über die Liegegebühr sicherlich dreifach und vierfach aus der Bordkasse gezogen) und die erste "Wer will braunen Zucker"-Ausräumung. Ein beliebtes Ritual am Ende von Zeltlagern, Segeltörns oder Wohngemeinschaften, wenn alle noch vorhandenen Konservendosen, Klopapierrollen, Ketchupflaschen an den Meistbietenden versteigert werden. Blöderweise will nie jemand mitsteigern, das soziale Gewissen verbietet jedoch das einfache Wegschmeißen. Wir werden den ganzen Kram also morgen anderen Crews zu schenken versuchen.

Heute abend werden wir wohl essen gehen; allerdings sieht Villamoura eher nach Malle-Verschärft aus als nach einem malerischen Fischerdörfchen. Das heißt, die vorherrschende Hautfarbe ist English-rosa (what a splendid colour, my dear) und alles ist etwas körperbetonter (allerdings mehr in Richtung Bäuche und Schenkel). Mal sehen, wo wir den "Catch of the Day" genießen.

Für morgen steht neben der Schiffsübergabe vor allem das Fußballspiel England-Argentinien auf dem Programm. Die Mutigen unter uns werden ihr Gesicht in den Nationalfarben des südamerikanischen Landes schminken, in eines der vielen englisch-dominierten Lokale gehen und "Viva Argentina" schreien. Falls sie überleben, wird es morgen die spannenden Details geben.