Das Versprechen mit den
Bildern vom Sonnenaufgang können wir halten (siehe oben) - kurz nach fünf
Uhr lokaler Portugalzeit (das ist eine Stunde vor MESZ; warum die Liebhaber
des Fado ihre eigene Zeit haben, konnten wir nie herausfinden) ging Achtern
Steuerbord ein goldgelber Feuerball auf (die Nacht selber war erleuchtet von
einem intensiven Sternenhimmel und einem nach Mitternacht aufsteigenden
Neumond).
Lipper und Markus teilten
sich da gerade die Wache und so konnte sich unser Bordliterat den ungebremst
herausschießenden Gedichtsergüßen von Don Lippero hingeben (z.B.
"Gülden geht die Sonne auf, Silbervögel fliegen, frisch gef... steht
Mutti auf, Papi bleibt noch liegen" oder "Durch stürmische Seen
bin ich gesegelt, hab Winden und Wellen getrotzt, nun bin ich in den Hafen
Deines Herzen gelaufen, Du hast mir einen Hort geboten").
Markus hatte erfolgreich die
Positionen bestimmt (dank GPS auch gar nicht schwer) und so lief die Julia
am sechsten Juni anno Domini 2002 um neun Uhr siebenundvierzig nach 5299
Seemeilen sicher und wohlbehalten im Bestimmungshafen Villamoura ein. Das
Glück war den vier Crewmitgliedern, die von Anfang bis Ende dabei waren,
sichtlich anzumerken (siehe 2. Bild von oben). Laßt uns knien, ihr selig
Glück zu preisen.
Am Reception Pier
(Empfangskai) fielen sie sich dann auch erst mal in die Arme; Markus, der
die Emotionen mit psychologischem Interesse aus sicherer Entfernung
betrachtete, wird dieses Motiv sicherlich noch in einer Kurzgeschichte
verarbeiten. Danach wurde kurz getankt (funktioniert auch nicht anders, als
mit dem Auto an einer normalen Tankstelle), beim Hafenmeister angemeldet und
an Pier "S" in der reservierten Box festgemacht. Die anschließend
geköpfte Flasche Champagner tat ihren Teil, um die Eindrücke weiter zu
vertiefen (und den einen oder anderen anschließend den Schlaf der
Nachtwache selig nachzuholen).
Blauer Himmel, Temperaturen
weit über 20 Grad (allerdings nur in der Sonne; ohne "Big Osram"
nur noch gefühlte 15 Grad) und ein verlockender Strand trieb nach und nach
die Segler aus ihren Kojen und an den Platja (= Playa auf portugiesisch).
Nur Lipper machte gut Freund mit den Locals und fing an, am Schiff und
seinen vielen Macken und Blessuren zu basteln (es wird gemunkelt, daß er
mit einem der Vercharterer im Herbst eine Spezialwerkstatt für
Ferrari-Sportwagen, Yamaha-Außenbordern und Bavaria-Schiffsdieseln
eröffnen wird).
So verging langsam der Tag.
Abends dann Duschorgien in den marmorgetäfelten Bädern des Yachtclubs
(nichts gibt es umsonst, das wird uns über die Liegegebühr sicherlich
dreifach und vierfach aus der Bordkasse gezogen) und die erste "Wer
will braunen Zucker"-Ausräumung. Ein beliebtes Ritual am Ende von
Zeltlagern, Segeltörns oder Wohngemeinschaften, wenn alle noch vorhandenen
Konservendosen, Klopapierrollen, Ketchupflaschen an den Meistbietenden
versteigert werden. Blöderweise will nie jemand mitsteigern, das soziale
Gewissen verbietet jedoch das einfache Wegschmeißen. Wir werden den ganzen
Kram also morgen anderen Crews zu schenken versuchen.
Heute abend werden wir wohl
essen gehen; allerdings sieht Villamoura eher nach Malle-Verschärft aus als
nach einem malerischen Fischerdörfchen. Das heißt, die vorherrschende
Hautfarbe ist English-rosa (what a splendid colour, my dear) und alles ist
etwas körperbetonter (allerdings mehr in Richtung Bäuche und Schenkel).
Mal sehen, wo wir den "Catch of the Day" genießen.
Für morgen steht neben der
Schiffsübergabe vor allem das Fußballspiel England-Argentinien auf dem
Programm. Die Mutigen unter uns werden ihr Gesicht in den Nationalfarben des
südamerikanischen Landes schminken, in eines der vielen
englisch-dominierten Lokale gehen und "Viva Argentina" schreien.
Falls sie überleben, wird es morgen die spannenden Details geben.
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