Dienstag, 04.06.2002 - Ohne Helm über die Autobahn und weiter nach Alcoutim


Kurs

N/A

Position

N  37° 12.7'

Geschwindigkeit

N/A

W   7° 24.4'

Etmal

N/A

Ayamonte, Spanien

Distanz

Gesamt

5236sm

Wetter

18°
1010hPa
5-7 Bft SW
wolkig

unter Segeln

4217sm

unter Motor

1019sm 



Obwohl das 8:0 unserer Nationalmannschaft den Glauben an das Vaterland wieder etwas hergestellt hat, sind wir doch alle erzogen im Wissen um die Sinnlosigkeit mancher deutschen Behörden-Denke. Gerade im Straßenverkehr hat jeder von uns schon unberechtigte Parktickets erhalten ("Was, das Schild heißt Parkverbot? Seit wann?"), wurde wegen Schnellfahrens abgemahnt ("Ach kommen Sie, die paar km/h zu schnell und dann gleich drei Punkte?") oder beim Fahren über eine dunkelgrüne Ampel erwischt ("Es ist nicht, wie es aussieht; ich kann alles erklären").

Der heutige Tag hat uns aber geholfen, unseren Frieden mit der StVO im Allgemeinen und deutscher Verkehrsmentalität im Besonderen zu machen. Wir sind nämlich mit Mopeds und ohne Helm auf spanischen und portugiesischen Autobahnen gefahren, ha!! Zuhause hätte das neben Führerscheinentzug auch die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt zur Folge gehabt. Begonnen hatte alles mit der frühmorgendlichen und mühsamen Jagd nach etwas Vermietbarem auf zwei Rädern. Bereits um 9 Uhr ging das Vorkommando (Tine stellte dafür ihre exzellenten Spanisch-Kenntnisse zur Verfügung) auf die Suche nach Mopeds, Motorrädern oder ähnlichem. Stunden später hatten sie am Playa Isla Canela das mobile Büro des einzigen Vermieters von Zweirädern gefunden und den Deal für 5 Motorroller klar gemacht. Wenig später setzte sich die Motorradgang mit ihren knatternden (und erstaunlicherweise recht schnellen), silbrigglänzenden Untersätzen in Bewegung.

Über den Grenzfluß zwischen Spanien und Portugal (Río Guadiana) führte uns eine beeindruckende Brücke zurück ins Land des Portweins. Gleich zu Beginn machten wir einen Abstecher in ein wunderschönes Naturschutzgebiet (wobei "wunderschön" relativ ist, da neben Haubentauchern, Störchen, Flamingos und Schlangen auch Kipplaster, Raupenbagger und anderes Straßenbau-Großgerät die Auen und Hügel bevölkerte; es war ein Naturschutzgebiet "under construction"; langsam dämmerte uns auch die Geschichte mit den Baumaschinen: Die portugiesischen Kollegen sind noch im Begriff, die gesamte Infrastruktur für die zukünftige naturschützende und touristische Nutzung zu erschaffen. Da waren wir einfach etwas zu früh. Schade. Aber die Landschaft lohnte sich schon jetzt zu betrachten. Da werden wir mal in 5-8 Jahren wieder reinschauen, dann wird es hier richtig toll sein). Auch eine Golfplatz passierten wir (Markus' Herz schlug etwas höher, aber ohne eigene Driver oder Eisen konnte und wollte er hier nichts anrichten), bevor wir in dem kleinen Dörfchen Azinhal eine erste Rast einlegten. Nach kurzem Biker-Bier und sensationellen "Jamón-Queso"-Broten fuhren wir weiter Richtung Norden, immer dem fein mäandrierenden Verlauf des Río Guadiana folgend. Dabei eröffnete sich uns ein Hinterland mit goldgelben Stechginsterbüschen, blühende Kakteen, Korkeichen, Öl- und Feigenbäumen sowie immer wieder neuen lilafarbenen-wunderschön-leuchtenden Farbspielen. 

Also weiter mit den Bikes zu neuen Zielen und neuen Abenteuern. Abenteuer kam zuerst in der Form von sehr sehr steilen Bergen, die einigen unserer Bikes echte Schwierigkeiten bereiteten - kaum kamen wir da herauf. Die Ziele ergaben sich durch rein zufällige auftauchende markante Weg- und Aufmerksamkeitspunkte, traumhaft langsam atmende Häuseransammlungen am Straßenrand (fast schon Dörfer, aber einiges kleiner und so ganz ohne bewegtes Leben), und den unglaublichen - zum Sterben schönen - Ausblicken auf den uns seit gestern beherrschenden Fluß. Da dieser laut unserem Hafenhandbuch ca. 25 Nautical Miles ab Meermündung flußaufwärts schiffbar sein sollte, waren wir fast neidisch, daß wir unser Prachtschiff nicht auch hier laufen ließen. Aber was soll's; vielleicht machen wir einen unserer nächsten Törns mal etwas flußnäher (da bietet sich doch der Nil oder der Amazonas an, denkt der größenwahnsinnige Autor mal schnell, bevor sie mit der weißen Jacke mit den zugeknoteten Ärmeln kamen).

Überhaupt: Es war ein echter Tag der Kontraste; zunächst smoothes Aufwachen auf dem Boot, während mittlerweile auf dem Meer der Bär mit 7-8 Windstärken (und zunehmend) tobte, dann mit den Mopeds zunächst auf die Autobahn (s.o., die genannte Brücke war Teil-Autobahn und die Zöllner an der kurz danach bestehenden Festlandgrenze Portugal ö Spanien guckten uns auf den Mopeds echt komisch an) und nach diesem Wahnsinns-Erlebnis mit Seitenwind von mindestens Windstärke 10-12 ;-) der weitere Verlauf unseres Ausritts, um endlich etwas weg von der Küstenlinie zu kommen und als Abschluß, wieder zuhause in Ayamonte, ein Abendessen in einer Brasería mit nettem Service, Knoblauch ohne Ende (die Gambas al Ajillo waren eigentlich "Knoblauch in Öl mit etwas Gambas"), einem 94er Reserva (zugegeben, es waren mehr als nur einer) und einem Gesprächsthema über unsere Zukunft (nicht nur "ich will mal Baggerfahrer werden), da fühlten wir uns auf einmal sooooo was von erwachsen. Den üblichen Spott hatten wir wunderbarer Weise auch auf kurzer Flamme gehalten. Jetzt wissen wir 'ne ganze Menge mehr über unsere Crew. Sehr fein!

Die Bewegung des Tages verlangte zum Schluß noch ihren Preis, einige konnten vor sechs Uhr morgens nicht die Augen schließen; parlierend, lesend, schlummernd machten sie die Messe zu ihrem Schlafgemach.

P.S. Die Fortsetzung unserer Geschichte: "Der Traum des Bojenkanals" soll hier nicht fehlen:

Lieutenant Miguel Pasana studierte die Akte voller Verwunderung. Sein Instinkt sagte ihm, daß Irgend etwas damit nicht stimmte. Er hatte die Dokumente gestern abend auf seinen Schreibtisch bekommen, kurz bevor er sich auf den Weg nach Hause machen wollte. Statt einem heißen Bad und einem Abendessen von seiner Mutter mußte er sich mit dem seltsamen Vorfall auf dem Sandbagger im Bojenkanal vor Faro beschäftigen.

Neben der etwas wirren Zeugenaussage einer deutschen Crew eines Segelschiffs, das wohl im Moment des Untergangs an dem Sandbagger vorbeifuhr, hatte er noch einige weitere Aussagen, unter anderem vom Steuermann der Villa Real (so hieß der Sandbagger). Eine der mysteriösen Dinge war das Funkeln, das alle Augenzeugen gesehen haben wollten.

Pasana wählte die 3514, die Durchwahl zum Estudio De Datos, auch scherzhaft das Datengrab genannt. Diensthabender Analyst war sein alter Freund Ernesto Sur, ein Computerfach im Polizeidienst, mit dem Pasano früher Streife gegangen war. Ihre gemeinsame Vergangenheit hatte ein untrennbares Band zwischen den ungleichen Männern gewoben. Froh darüber, eine vertraute Stimme zu hören, bat Pasano den Datenexperten um einen Gefallen. "Finde mir alles über die beiden Kranfahrer auf dem Baggerschiff heraus. Ihre Namen sind Quervo Lapista und Joaquim Mojito. Irgend etwas ist da faul." "Wie soll ich das machen?" stöhnte Ernesto. "Ist mir egal, häng Dich rein. Du hast mich doch sonst nie im Stich gelassen" konterte Pasano. Er konnte das Murren in der Stimme seines Freundes erkennen, wußte aber auch, daß er sich auf ihn verlassen konnte.

Wie immer, wenn ihn ein Fall sehr beschäftigte, ging er mit einem leichten Brennen im Magen nach Hause. Sein Appetit war ihm bereits vergangen, als er den Hausflur seiner Wohnung in der Riu Ana betrat. Auch das von seiner Mutter vorbereitete Abendessen ließ er stehen.

Am nächsten Morgen stand er sehr früh auf und machte sich ohne Frühstück auf den Weg in die Arbeit. Unterwegs hatte er nicht einmal mehr Zeit, den gewohnten Cafe Solo in dem Straßencafe neben dem Präsidium zu trinken. Statt dessen eilte er an seinen Schreibtisch, um den Bericht aus der Datenabteilung zu überfliegen.

Was er vorfand. bestätigte seinen schlimmsten Verdacht...   ... to be continued