Getreu alten Song, "Beim ersten Mal tut's noch weh, beim Zweiten schon nicht mehr so sehr", haben Fabian und der Lipper entschieden, zunächst unter professioneller Anleitung einmal richtig "schlechte Erfahrungen" zu sammeln. Und zwar auf einem dieser beinharten Schwerwetter-Törns, die die Resistenz gegen Frostbeulen, Wind, Wellen und Seekrankheit richtig stärken. Danach sollte eventuelles schweres Wetter im Atlantik schon nicht mehr so doll beeindrucken. Beim Schönicke-Skipperteam hatte man auch gleich einen passenden Törn Mitte November 2001 im Angebot, also wurde gebucht und auf kräftiges Schlechtwetter gehofft....

Day Zero/One: Nach abendlicher Anreise nach Hamburg und anschließender Weiterfahrt mit den ersten Mut-mach-Bieren, im lustig kleinen Transporter mit 7 Seebären auf dem Weg nach Dänemark ging es dann auch am Freitagmorgen, dem 9.November auf zwei Yachten in Marina Minde (DK) los: der "Tango" - einer Teliga 136 Cetus aus polnischer Fertigung - sowie der "La Villa" einer schon etwas betagten, aber scheinbar sehr zuverlässigen Bavaria 43 aus deutschen Landen. Unsere Skipper Helge (Norddeutscher) und Boris (waschechter Berliner) waren schon so nett, die Schiffe zu verproviantieren und auszurüsten, so daß der Törn pünktlich zum frühmorgendlichen Wetterbericht beginnen konnte. So ging es also los - und damit hatten wir schon unser erstes "Problem". Es war SACK kalt!!! Gerade erst war ein klasse Sturmtief durchgezogen und hatte uns blauen Himmel über der Ostsee zurückgelassen - aber auch 0° C  Außentemperatur. Dazu dann noch "läppische" 6 - 7 Beaufort Windgeschwindigkeit - wir begannen zu begreifen, auf was wir uns eingelassen hatten...

Aber der gnädige Gott der zeitgenössischen Chemie- und Kunstfaserindustrie war mit uns - die teuer eingekaufte Thermounterwäsche und die dicken Gore-Tex-Fäustlinge haben uns allen am ersten Tag schon klar gemacht, daß jeder, aber auch jeder investierte Euro sein Geld echt wert war. Wir waren dankbar!!! Als Tip für die Bekleidungshersteller hätten wir nur die vergessenen Spikes für die Gummistiefel anzumäkeln, denn Rauhreif und Eis auf den Stegen machten die Wege zum Boot doch recht abenteuerlich... auch nüchtern.


Die Lotsenkojen auf der Tango 


"la Villa" und "Tango" in Minde


Leerer geht nicht.... 

Belohnt wurden wir dafür mit einem traumhaften ersten Segeltag (an dem die "Tango" auf langen Strecken mit durchschnittlich 8 kn der "La Villa" glatt davon lief) und einem paradiesisch leeren Hafen in Kappeln, in dem wir uns alleine ausbreiten konnten - sonst liegen hier die Yachten in Fünferpäckchen, so daß man trockenen Fußes von einer Hafenseite zur anderen laufen könnte......

Day Two: Wie es sich für ein didaktisch gut geplantes Schulungsprogramm gehört, wurden dann am zweiten Tag die Herausforderungen an Schiff und Crew langsam gesteigert: Brutal tiefhängende Wolken, stürmischer Regen und ein auf  7 bis 8 Beaufort auffrischender Südwester macht den Raumschot-Trip nach Marstal (DK) noch etwas anspruchsvoller. Schon bald nach "Leinen-los" gab es einen neuen Geschwindigkeitsrekord zu vermerken. Durch die gemeinschaftliche Anstrengung von Schlei-Strömung und Rückwind wurden wir mit knapp 11kn aus der Schlei in die Ostsee heraus "katapultiert". Danach nahmen See und Wind stündlich zu und das Reffmanöver kurz vor der Einfahrt nach Marstal zeigte uns auch recht deutlich den Unterschied zwischen 7 Beaufort von hinten und 7 Beaufort von vorn: Die zwei Minuten am Mast (und hinterher auch an der klemmenden Genua-Refftrommel) reichten, um Fabian und Christian eine ordentliche Eiswasser-Dusche zu verpassen....

Erst einmal fest in Marstal liegend gab es das Highlight des Abends: Die beiden selbstgebackenen Brote, die unser Profi-Skipper auf Bitten vom und zum Training des Lippers aus dem Ofen zauberte: Leicht mit Zwiebeln verfeinert waren die frisch aus dem Laib geschnittenen Scheiben - warm, nur mit Butter und Salz veredelt - ein wahres Gedicht. Damit haben wir für die Atlantiküberquerung wieder etwas wahrlich wichtiges gelernt.... schließlich ist der nächste Bäcker in der Regel mehrere tausend Seemeilen entfernt!

Die Ostsee Welle lugte immer mal ins Cockpit, aber der Blanke Hans hat uns nicht erwischt Fabian und Chris kämpfen das Reff rein, trotz Beidrehens noch ein Knochenjob

Für unsere Begleityacht "La Villa" war dann leider der Törn fast schon zu Ende. In einer Böe ist der Lümmelbeschlag gebrochen und damit hatte der Baum seine innige Verbindung zum Mast verloren. Mit Bord- und Werftmitteln ließ sich zumindest soviel reparieren, daß der Törn sicher zurück an die Küste abgeschlossen werden konnte. Damit waren wir auf unserem Schwerwetter Törn alleine - naja: "Es kann nur einen geben..."

Day Three: Sonntag, der dritte Tag des Törns, wurde mit richtig Ausschlafen belohnt - tatsächlich bis 9h 00. Is ja a' Wahnsinn. Der Tag versprach dann auch irgendwie gar nicht so zu werden, wie der Abends empfangene und mühsam (händisch!!!!) in die Wetterkarte übertragene Seewetterbericht versprochen hatte: Statt SW 7 - 8 hatten wir morgens erst mal nur diesige SW 2 bis 3. Dafür ging es dann durch die menschenleere dänische Südsee. Bei Sonnenschein und 10°C  wollte der Lipper doch tatsächlich schon die Sonnencreme und die Badeshorts herausholen. Nur ein energisches Veto von Fabian konnte ihn stoppen. 

Und da nicht sein kann, was nicht sein darf, briste es dann noch wie versprochen auf. Die letzten 15sm ging es dann Hoch am Wind in der Kreuz gegenan bei bis zu 35kn Wind. Und dann gab es noch ein bißchen mehr Spaß: "Aufgelockert" wurde dieser Knüppelkurs von mehreren Mann-über-Bord-Manövern um Lippers Handschuh - von Fabian (versehentlich??) außenbords gekickt - wieder aufzufischen. Dabei wurde uns allen recht deutlich, daß solche Manöver bei Windstärke 8 doch irgendwie anders als in der BR-Prüfung ablaufen. 


Der Skipper beim Reffen - Beigedreht geht das auch bei 8Bft ohne großen Streß.... 


 Mit Handschuhen ist Reffen recht schwierig, ohne Hand- schuhe wegen der Kälte 
praktisch unmöglich.... 


Abendliches Wetterdeuten ergänzte den Seewetterbericht - leider war den Himmel nur nicht immer so schön..

Wir haben ungefähr 6 Anläufe gebraucht, bis die Yacht wirklich in Luv UND in Bootshakenweite des Handschuhs zum Stehen kam....dann hatten wir ihn zwar immer noch nicht - aber viele Erfahrungen mehr. Endlich kamen wir auf das altbewährte Beidrehen mit anschließendem Drauftreiben und schließlich war Fabian in der Lage, mit einem bravourösen Balance-Akt, den Handschuh an Bord zu manövrieren. Eine wahre Meisterleistung bei den gegebenen Wind- und Wellenverhältnissen.

Abgeschlossen wurde der Tag mit einem wie aus dem Lehrbuch gezauberten Anlegemanöver Fabians. Bei echt geringem Aktionsradius und trotz des Handicaps eines für ihn unbekannten Manövrierverhaltens des Schiffes unter Motor schaffte er es, die "Tango" aus voller Kreisfahrt exakt 10 cm parallel zur Pier zum Stop und sicherem Belegen der Mittelspring zu bringen. Danach  war der Rest der Festmacherei nur noch ein Kinderspiel... nur war dann leider irgendwann das Bier alle, bei den vielen Anlegerbieren ....

Day Four: Wie in Lothar Buchheims "Das Boot" war der Tag geprägt von grauer, weiter See, grauem, endlosem Himmel und Kälte gepaart mit Sprühregen. Leider konnten wir nur nicht wie U96 abtauchen und die ungastliche Oberfläche hinter uns lassen. Nachdem noch nicht mal der Wind nennenswert war (über alles unter 7 Beaufort lachen wir ja nur noch), brachte der Tag nur zwei Highlights: Nudeln (1) und Kampfflieger (2).

(1) Die Nudeln, angebraten mit Speck, Zwiebeln und frischen Tomaten produzierte der Lipper unter Deck - bei tüchtig Schräglage und stampfendem Schiff - (KÖÖÖSTLICH, wie Dany kommentieren würde). Netterweise war er nach einer halben Stunde unter Deck und bei dampfenden Pfannen und Töpfen seekrankheitstechnisch so angeschlagen, daß er seine Portion noch unter der hungrigen Meute verteilen ließ (Stephan, wir danken Dir!). 

(2) Die Kampfflieger spendierte uns Rudolf aus der Flotte seiner  Marineflieger. So klamm können die übrigens gar nicht sein, bei dem Kerosin, das die da rausgeblasen haben. Wir bewunderten also unsere Steuergelder beim Übungsschießen auf eine unbewaffnete, orangene Zielpyramide und siehe da.... nach fünf oder sechs Anläufen mit jeweils zwei Maschinen war das Teil immer noch nicht versenkt - und damit den Jungs langweilig . Also übten sie Anläufe auf bewegte Ziele - was bietet sich da besseres an, als eine Segelyacht. Aber zum Glück war die  Munition alle....

The Last Day ...oder was man noch erwähnen sollte: Was wir noch nicht erwähnt haben, ist, daß der Lipper das Brotbacken dann nicht nur staunend angeguckt hat, sondern die ganze Chose auch gleich selbst ausprobieren mußte - Ist ja wieder klar.... jedenfalls war er die letzten Tage des Törns in jedem Hafen auf der Jagd nach einem Supermarkt, der ihm erstklassiges 550er ("Minimum") Mehl liefern konnte. Die Ergebnisse konnten sich nicht nur sehen lassen, sondern waren so klasse, daß die Crew die ersten beiden Brote direkt aus dem Ofen am gleichen Abend noch verspeiste. Der zweite Versuch wurde mit brühwarmen Böcklundern im (Brot-)Teigmantel zu solch einem Genuß, daß die versammelte Crew an Deck essen wollte, um sich gegenseitig "Hmmmmms" zuzuwerfen...naja - vielleicht wollte auch keiner unter Deck Seekrank werden.

Nachdem wir dann alle Highlights des Abenteuers "Schwerwettersegeln" im November ausgelotet und halbwegs verarbeitet hatten, gab es noch ein klasse Anlegemanöver vom Lipper in Schilksee (Kiel), direkt am Pier des Mastkrans. Mit Hilfe der nun bei uns fest im Programm gebuchten "Mittelspring" wurde ein letztes Anlegemanöver unserer Tango mit traumwandlerischer Sicherheit durchgeführt (Prädikat von unserem Profi-Skipper). Anschließend beteiligte sich die Crew noch am Abriggen des Schiffes, bevor dann der Kran erst den Mast und anschließend das Schiff aus seinem gewohnten Element hob...

Tutti Completti müssen wir sagen: Es war SUPER genial. Ein Törn im November in der Region bietet nicht nur neue Eindrücke und Erfahrungen sondern auch ganz neue Einblicke in die Seemannschaft (Wir denken nur an das Hochwasser in der Schlei...). Toll war es. Vielen Dank an Helge den Skipper (61 !!) und den Rest der Crew!!!


Die "Giftbude" in Kappeln


Auch unserem Profiskipper 
Helge war ein bißchen "rusch"...


Der Lipper ohne Mütze und Handschuhe als "harter Kerl", aber nur für das Foto...