Warm sollte es sein. Und windig. Und günstig. Und lecker. Also weder die Ostsee (nicht warm), nicht Frankreich (nicht richtig windig) und nicht die Karibik (nicht günstig...) sondern die Ägäis, idealerweise Oneway quer durch die Kykladen. Und unser Leib-und-Magen Charter-Agent trieb auch gleich was passendes für uns auf: wir bekamen das Angebot, eine relativ neue First 47F7 von Rhodos zurück nach Athen zu überführen. Das wäre dann zwar 400sm gegen die herrschenden Winde und Strömungen, aber egal, durch so etwas haben wir uns ja noch nie abschrecken lassen....

Ende August ging es dann mit Lufthansa nach Athen und zur Übernachtung in die Innenstadt direkt zum ersten Highlight: Unser Hotel hatte uns Zimmer im Dachgeschoß mit Terrasse und Blick auf die Akropolis reserviert. So schnell hatte der Lipper schon lange kein Bier mehr besorgt und aus Freunde über die warme Nacht und Vorfreunde auf den Törn wurde dann relativ wenig geschlafen - die Taxis zurück zum Flughafen kam schließlich schon um 6h30. Der Sprung nach Rhodos mit Olympic Airways brachte uns dann gleich einen Überblick auf die anstehende Strecke - nur das wir 14 Tage und nicht 60 min brauchen würden....

Der Törn sollte uns vom Nordzipfel Rhodos' quer vom Dodekanes in die Kykladen bringen, uns dort viel Zeit zum Baden und Besuchen von Tavernen lassen und schließlich zurück nach Athen führen. Die Strecke von 400sm sollte sich in 14 Tagen mit einem schnellem Schiff wie der First 47F7 gut bewältigen lassen, wenn einem nicht der Meltemi einen Strich durch die Rechnung macht: Dieser Tageszeit-abhängige Wind entsteht, wenn ein Hitzetief in der türkischen Ebene und ein Hochdruckgebiet über Griechenland anfangen, Wind in die Ägäis zu pumpen. Das Resultat sind regelmäßig 7 bis 8 Beaufort von Mittags bis spät in die Nacht - zwischen den Inseln auch schon mal mehr...

Um es vorweg zu nehmen: Die ersten Tage war der Meltemi auch ein treuer Begleiter, aber mit 30 Grad Außen- und 24 Grad Wassertemperatur sowie zweitem Reff lassen sich 7 Beaufort ganz leicht "ertragen".Immerhin war die First dann auch für 8 Knoten gut. Richtig "auf die Fresse" haben wir es dafür dann am Schluß aus Westen bekommen....

Am Kai "unter den Windmühlen" erwartete uns dann auch unsere "Christina" - leider aber erst ab 18h00 (wie im Chartervertrag angegeben) und nicht um 12h00 (wie mündlich besprochen). Also ging der Großteil der Crew Lebensmittel einkaufen während der Lipper und der Skipper das Gepäck bewachten, ein paar Bierchen lenzten und das Geschehen beobachteten. Die Griechen waren übrigens nicht ungeschickt im Päckchen legen - längseits kann ja jeder, aber römisch-katholisch vor Buganker erfordert schon ein bißchen Seemannschaft...

Als wir dann Abends auf das angeblich gereinigte Schiff kamen, haute es uns gleich um: Der Kahn stank, die Bilge schwappte randvoll mit dreckigem Brackwasser, der Teppichboden (!) war die letzten paar Wochen nie von den Bodenbrettern entfernt worden (dementsprechend sah es darunter auch aus) und einige Kajüten hatten unter den Bodenbrettern Kompartments, die nicht mit der Bilge verbunden waren und dementsprechend noch voll mit wochenaltem Dreckwasser waren. Wir fragten uns, wie es die Italiener, die vor uns das Schiff hatten, so etwas aushalten konnten. Also war erstmal putzen und pumpen angesagt - lecker (Fabian's heimliche Revanche für das Putzen und Larven-Entsorgen in John und Moni´s Wohnung...aber das ist eine andere Geschichte) Am nächsten Morgen waren wir auf der Fahrt entlang der Küste von Rhodos froh, daß wir nicht in einem der vielen Strandhotels übernachten müssen: Die Dichte auf den Stränden war nicht zu verachten...

Die Strecke von Rhodos über Simi, Kos und Astipilaia war - wie oben erwähnt - vom Meltemi gezeichnet, aber die First nahm im zweiten Reff das Wetter eigentlich ganz relaxed - so ruhig, daß die ersten Etappen mit ihren langen Schlägen (mehrmals 60sm) zu einem Lesemarathon wurden... Dafür wurden wir schon zu Beginn mit mehreren wunderschönen Buchten mit Tavernen direkt am Strand und morgendlichem Baden in lagunenartigem Wasser belohnt. 

Nach langem (und mit Regatta-Eifer ausgeführtem) Aufkreuzen in eine tropfenförmige Bucht an der Südküste von Astipilaia war dann ein Bootsmannsstuhl-Manöver angesagt, da das durchgelattete Groß zwar prima stand und enorm Vortrieb erzeugte, aber beim Durchsetzen doch jedesmal mit erheblichen Widerstand reagierte. Also mußte John ins Masttop  zum Nachschauen, aber außer ein paar wunderschönen Bildern aus der Mastspitze hat er von oben nicht viel mitgebracht....

Nach weiteren 60sm Halbwind zum Meltemi erreichten wir unser nächstes Etappenziel - Ios, die Insel der Backpacker und Aussteiger; Malle-light sozusagen. ....

Wir lernten dort kurz nach der Ankunft auch gleich, warum in Griechenland Yachten immer mit ein bis zwei Meter Abstand zum Kai festgemacht werden: Die griechischen Fähren (bzw. deren Kapitäne) kennen keine Gnade - auch nicht mit heiklen Yachten, die zufällig in Reichweite der tsunami-ähnlichen Bug-, Heck- oder Sonstwas-Wellen liegen, die diese Pötte beim Volldampf-in-den-Hafen-knallen erzeugen. Also lieber den Buganker RICHTIG eingraben, etwas mehr Distanz zum Kai halten und die 2m Laufplanke voll ausnutzen.

In Ios stürzten wir uns dann das erste Mal so richtig ins Nachtleben und streiften bis morgens früh durch die diversen, mit jungem Volk überfüllten und disko-mäßig beschallten Kneipen. Wie schön (und groß) die Chora eigentlich war, nahmen wir dann auch erst am nächsten Tag beim (späten) Morgenspaziergang richtig wahr. Während der größte Teil der Crew dann noch  nach Santorini zum Steine-und-Ruinen begucken aufbrach (mit unseren neuen Todfeinden, den High-Speed-Fähren), vergnügten John und der Skipper sich auf Laser-Jollen in einer nahen Bucht. Abends gab´s dann wieder die üblichen griechischen Vorspeisen ohne Hauptgericht - kochen sollten wir diesen Trip irgendwie nicht richtig viel, so lecker und günstig das Essen auf den Inseln war...

Ab Ios schalteten Umwelt, Crew und Schiff eher in den "Relax"-Modus: Der Wind wurde schwächer, die Strecken wurden kürzer und die Badebuchtaufenthalte dehnten sich immer mehr aus - die griechische Ruhe holte uns so langsam ein. Das nächste Etappenziel war dann auch gleich ein völliger Gegenpol zu Ios: Die Stadt lag direkt am Wasser statt auf dem Berg, statt lauter Bierkneipen mit Rockmusik waren eher Cocktailbars mit Chillout- und Techno-Musik angesagt und das Publikum war eher gehoben - und mal mehr, mal weniger dezent homosexuell.

Der Genuß des herrlichen Ensembles mit lebendem Pelikan und gemütlichen Restaurants und Tavernen direkt am Kai blieb uns nur insofern erschwert, als daß alle Yachten (wahrscheinlich aufgrund der ständigen Nörgelei über die Manövrierweise der Fähren) in eine mehrere Kilometer entfernte neue Marina verbannt wurden. Jedes "ich geh´ mal eben noch mit dem Lipper auf einen Ouzo und ein Mühlespiel" bedeutete also gleich erhebliche Logistik. Und das fehlen JEGLICHER Infrastruktur (Es gab GSM-Empfang - ok, aber wenigstens Mülleimer wären doch möglich gewesen....) machte die Sache nicht gerade einfacher Die Prioritäten waren uns danach eindeutig klar ....

Was hatte Mykonos sonst noch zu bieten? Nun traumhafte Badebuchten und Ruinen en masse.

Die Badebuchten haben wir gleich mehrfach genossen - wobei die Ankerkontrolle aufgrund des kristallklaren Wassers nicht weiter schwer war: Wie man rechts auf dem Bild sieht, war unser Pflugschar-Anker in 4 bis 5m noch hervorragend zu sehen - wie übrigens auch die diversen Steine direkt unter unseren Kiel, aber das erzählen wir nicht laut....

Delos war dann übrigens doch noch einen Besuch wert: Zuerst schien es unter sengender Sonne statt hochaufragender Ruinen nur lose Steine zu besichtigen zu geben, aber dann führten die Wege doch noch in die ehemalige Chora wo Theater, enge Gassen, Häuser und Mosaiken zu besichtigen waren. Immerhin haben auf diesem engen Flecken Erde bis zu 30.000 Menschen gelebt und wurden bis zu 10.000 (!) Sklaven pro Tag gehandelt - und daß, ohne auch nur einen Hauch eigener Landwirtschaft und Fischerei zu betreiben. Alles, aber auch alles mußte mit Schiffen herangekarrt und erhandelt werden....

Der Schlag zum nächste Etappenziel Tinos war erstmal durch Null Windstärken und eine orgiastische Badesession mitten auf der Ägäis charakterisiert. Leider unterstützt unser Hostingvertrag mit 1&1 kein Streaming-Video, sonst könnten wir an dieser Stelle Sequenzen mit vielversprechenden Namen wie "Splash", "Tine sagt Danke" oder "die Crew schwimmt hinterher" präsentieren.

Tinos selbst stellte mal wieder eine 180 Gradwendung in Publikum, Inselleben und Freizeitgestaltung dar: Waren in Mykonos die Touristen noch in der Überzahl sowie Diskos und Cocktailbars die einzig wahren Tempel der Masse, so waren auf Tinos die Popen allgegenwärtig, die Kloster vielzählig, bewohnt und  nur stundenweise zu besichtigen sowie auf der Haupteinkaufsstrasse und Fußgängerzone nur Devotialien und Holzkreuze zu erwerben. Auch unsere Freizeitgestaltung schwenkte wieder mehr ins Aktive: Ausgestattet mit zwei 250er Enduros und drei 100er Rollern starteten wir zu einem stundenlangen Biken über die Insel und bewunderten stille Dörfer, traumhafte Buchten und die typischen Taubenhäuser. Inzwischen war wir dann auch so griechisch gelassen, daß auch nach dem Zufallsprinzip funktionierende Bremsen uns nicht mehr richtig stören konnten... 

Nach Tinos ging es dann schon stark Richtung Athen, auch wenn Poseidon noch zwei nette Nackenschläge für uns aufgehoben hatte. Den ersten bekamen wir in DER Traumbucht auf Kythnos, welche auch sehr beliebt und geschützt aussah (schließlich lagen dort mehr Boote als in den letzten drei Häfen zusammen) aber leider zwei entscheidende Nachteile hatte: Erstens war der Grund so hart, daß wir trotz zweier Anker mehrere Anläufe brauchten, bis wir halbwegs vernünftig lagen und zweitens war die Bucht nach Westen gegen Wellen zwar durch eine Sandbank gut geschützt, aber für Wind natürlich völlig offen - und dreimal darf der geneigte Leser raten, von wo der Starkwind kam, der uns die Nacht wachgehalten hat.... Nach dreimaligem Slippen des Ankers haben wir uns schließlich mit dem Bug bis an die Sandbank vorgearbeitet, den Anker dort praktisch mit der Hand vergraben und lagen dann relativ ruhig. Wir haben danach nur noch gebetet, daß keine Winddrehung kommt, sonst hätten wir sofort aufgesetzt....

Der zweite Nackenschlag erfolgt dann gleich am Tag danach. Das der Ruderquadrant um 15Grad nach steuerbord verstellt war, wußten wir schon lange, aber herumfummeln wollten wir dann doch nicht. Hätten wir mal lieber, denn kurz nach dem wir vor Lavrion die Hauptschiffahrtsroute nach Athen durchquert hatten, drückte eine Böe ordentlich ins zweifache gereffte Groß und plötzlich tat es einen Schlag, die Kiste legte sich auf die Backe und schoß in den Wind. Erst etwas Irritation an Bord, dann Johns messerscharfe Analyse: Das Ruder ist im Ar*. Und tatsächlich, der Ruderquadrant hatte sich in der Böe auf der Ruderachse weiter bis an den Anschlag gedreht, so daß jetzt nur noch geradeaus oder aber hart steuerbord möglich war. Also sind der Lipper und Markus in den Rumpf hinter den Backskisten geklettert und haben in harter Arbeit einige Schrauben des Quadranten gelöst, John und ich haben mit Notpinne und Ruder den Quadranten wieder zurückgezogen und danach haben die beiden den Quadranten wieder festgeschraubt - und das alles mit Aldi-Werkzeug und bei Seegang. Interessanterweise hatte die Yacht übrigens auch zwei schwarze Bälle an Bord, so daß wir gemäß Seeschiffahrtsordnung "Manövierbehindert" setzen konnten - ob sich einer der vielen Tanker davon hätte beeindrucken lassen, steht auf einem anderen Blatt...

Die beiden Prüfungen haben wir dann wohl mit ausreichender Bravour bestanden, denn danach waren uns die Götter wieder sehr versöhnlich gesonnen: Beginnend mit der ultra-coolen Hafenkneipe in Lavrion (in der wir bis morgens getanzt und gefeiert haben), dem darauffolgenden traumhaften Segeltag nach Athen (an dem wir uns - eigentlich wie immer - mit der Tatsache abfinden mußten, daß Segelboote gegen den Wind nicht unbedingt die Rumpfgeschwindigkeit zum Ziel gutmachen), der Entdeckung einer klasse Strandbar direkt neben dem Hafen und der finalen Steine-und-Ruinen-Orgie in Athen, mit der der kulturell interessiertere Teil der Crew seine Gelüste befreidigen konnte.

Summa summarum also ein rundum gelungener Segeltörn in einem Revier, daß wir nicht zum letzten Mal besucht haben werden.,,,