ABZ-Funkzeugnis - Oder was mache ich eigentlich mit den vielen Knöpfen?


Wiesbaden, Samstag, 02.02.02 - Ein Tag an dem man Postkarten mit Stempel versenden oder sammeln sollte, der strahlend blaueste Himmel des Jahres, und wir (Skipper und Lipper) sitzen in einem "Klassenzimmer" eingeschlossen. Das gibt es doch gar nicht!!! Morgens im Radio haben wir noch gehört, wie andere Leute auf SWR3 davon berichten, ihre Harleys aus dem Winterschlaf zu erwecken und die geilsten Touren durch den Taunus planen. Wir sind dagegen wieder auf einem unserer vielzähligen berühmt-berüchtigten "Atlantik-Tour-2002-Vorbereitungs-und-Törnpreparations-Lernkursen". Heute sollte es sich also um "Funken" handeln. Nicht diejenigen, die durch Verbrennung oder elektrischen Strom entstehen, sondern die Tätigkeit an sich, also das kommunizieren mit anderen Schiffen und Küstenfunkstellen an Land - ohne Handy!!!. 

Bevor es richtig losging, mußten wir uns erstmal einige Kaffees in unsere Körper schütten, da am Abend vorher zusammen mit Dany (eigens aus Wien eingeflogen) eine kleine, feine und spontane "Wiedersehensparty" gefeiert wurde - ist ja völlig klar - wir hatten uns schließlich schon eine ganze Woche nicht mehr gesehen. Jedenfalls haben wir wieder den Fehler gemacht, auf leeren Magen einige Weißweinschorle und Weizenbier zu kippen - und das hatten wir dann morgens eben wieder zu büßen. Nun gut, wir sind als echte Segler ja hart im Nehmen und endlich zeigte der Kaffee von Costa-Maritim, unserer Schule, auch seine Wirkung.


Boris, der Mann, der uns trotz besten Sonnenscheins in den Schulungsräumen hielt...

Nach Erledigung der Formalitäten (Rechnung - schluck) und einer Einweisung durch den Chef persönlich (wie schön, andere Leute müssen bei dem Wetter auch arbeiten) kam unser Lehrer Boris Kaiser gleich zur Sache. Er entführte uns in die Welt der langen, kurzen und ultrakurzen Wellen sowie deren bevorzugte Einsatzgebiete und Reichweiten. Neben Einsichten in die Funkethik ("Man gibt als Seefunkstelle -wir- einer Küstenfunkstelle - die anderen - keinen Kommunikationskanal vor, die Küstenfunkstelle gibt EUCH einen Kanal vor!") und der Bekanntschaft mit neuen schicken Abkürzungen (J3E -> Frequenzmodulation ohne Träger oder , H3E -> Frequenzmodulation mit Träger) frischten wir auch unsere physikalischen Kenntnisse auf (U = R x I und P = U x I). Herleiten der Formeln oder das "2 Gleichungen mit 3 Unbekannten Problem lösen" mußten wir aber nicht - obwohl der Skipper als waschechter Mathematiker direkt an ein Flipchart springen wollte. Lustig war auch die Wiederholung des internationalen Funkalphabets, das wir gleich in der Praxis üben durften: Jeder Teilnehmer sollte sich mit seinem Vornamen vorstellen, natürlich nicht in schnöder normaler Art und Weise, nein nein, es mußte schon im INTERCO Modus sein. Fabian glänzte hier souverän mit seinem runtergeratterten Foxtrott-Alpha-Bravo-India-Alpha-November, er hatte allerdings auch den Abend vorher bei Danys Abholung schon die ankommenden Flüge buchstabieren geübt. Der Lipper hat statt des einfachen Lima-India-Papa-Papa-Echo-Romeo lieber auf das etwas kompliziertere Sierra-Tango-Echo-Papa-Hotel-Echo-November zurückgegriffen und war nicht ganz so geschmeidig wie der Skipper. Machte aber nix. Spaß hatten wir alle an den "äähs" und "mmhhhs" zwischendurch, vor allem an den heimlichen Blicken auf den "Spickzettel".

Nachdem wir uns derart angestrengt hatten durften wir erstmal in die Pause und damit vor die Tür. Direkt in die wunderschöne Wintersonne. Der Skipper sah sich nach einigen Sekunden in der wärmenden Sonne stehend schon quasi auf dem Ammersee, im Neo auf seinem 470er. Daß kein Wind war machte ihm nichts - "...dann gehen wir dort eben in den Biergarten oder fahren in meinem 2-Sitzer durch die Alpen...". Tja, was soll man da sagen? Da der Lipper gleich darauf noch einen dort ausgestellten "aufgeschnittenen" 4-Zylinder Außenbordmotor fand, war auch er glücklich und wollte dem Skipper direkt die Funktionen und den Aufbau der Maschine erklären... daß den Skipper in dem Moment eigentlich mehr "Ammersee" und "Boxter" interessierten, war ihm egal.

Nach der Pause wurde dann ausgiebig Theorie gepaukt und gefachsimpelt, welche Wellen wann, wo und wie nutzbar sind, welche sich in der ionisierten Schicht um die Erde reflektieren, wo die "toten" Zonen sind und wie sich eine Telephonverbindung über eine Küstenfunkstelle mit Hilfe eines "DSC" aufbauen läßt - all dies wunderbare Tips für die zukünftige Kommunikation an Bord. Weitere Vertiefungen zu verschiedenen Funk-Systemen, Radar-Reflektionen, Amplituden- und Frequenzmanipulation (oder so ähnlich - heißt eigentlich ..-modulationen - AM und FM) sowie Einblicke in die WARP Technologie (jetzt wissen wir, woher Raumschiff Enterprise das hat) halfen uns, die tiefen Geheimnisse des Funkens und seiner Faszination zu verstehen.

So langsam nahte das Ende von "Theorie Teil 1" unseres Funkkurses und wir wurden in die Mittagspause entlassen. Unser einfacher Plan, kurz nach Wiesbaden Down-town zu fahren und uns mit Dany zum Mittagessen zu treffen wurde durch einen schier UNGLAUBLICHEN Mittags-Traffic im Verbund mit der "Intelligenz" Wiesbadener Ampelschaltungen brutalst zerstört. So beschlossen wir kurzerhand, uns in einer Keipe einen Capuccino zu organisieren und uns an diesem draussen in der Sonne auf einer Mauer in der tollen Sonne sitzend in einem "Moment italienischen Genießens", zu erfreuen (hatten wir schon erwähnt, dass hier einfach sensationelles Wetter war???). Nachdem der Lipper die Mädels hinter der Theke von unserer Vertrauenswürdigkeit überzeugt hatte, durften wir tatsächlich unsere Tassen mit auf die Strasse nehmen und fühlten uns schon fast wie in der Karibik. Kein Wunder, schließlich waren es nur noch "47- und der Rest von Heute" Tage, bevor es losgehen sollte. Aber davor hat der liebe Gott noch ein bißchen Fleißarbeit gestellt und daher gingen wir frohen Mutes zurück zu unserem Funkkurs, nun der Praxisteil 1 - mit Zwischenstopp für einen "k-l-i-t-z-e-k-l-e-i-n-e-n" Einkaufsausflug in einem nahegelegenen "Mini-Mal". DIE Story erzählen wir aber ein andermal...

Am Nachmittag waren wir dann - wider Erwarten und ursprünglicher Planung - nicht zu zweit in unserem mit viel Mühe geplantem "Privatunterricht" sondern auf einmal zu fünft... Der Chef von Costa hatte morgens die mit viel "Brain" und Verhandlungsgeschick ausgehandelte Option "Sonderbehandlung" kurzerhand auch den weiteren Teilnehmern des Morgens eröffnet. Ooookaaayyy - klasse, dann konnten wir wenigstens bei den anderen abgucken, hehe. Hat ja auch seinen Vorteil. Also beschäftigten wir uns am Nachmittag Hands-On mit dem Aufsetzen von "Distress" Calls, Erstellung sowie Weiterleitung von "Piracy" und "Abandon Ship" Nachrichten, wir "acknowledgten" Nachrichten anderer Schiffe, führten läppische "Routine Calls" durch und loggten uns mal eben in die vier geostationären Satelliten des INMARSAT-C Systems ein, um wichtige Mitteilungen via Fax und Telex zu schreiben wie: 


"To: Purser MS Bremen 
From: Purser MS Lipper 
Crew und Skipper ok STOP 
Party in Sydney organisiert STOP 
Ankunft übermorgen früh STOP 
Wir freuen uns alle OUT.

Klingt doch cool, oder?

Nachdem wir dann auch noch erfuhren, wie wir EGC Meldungen mit einer Art Spamfilter versehen können, die Gruppenbildung bei UKW- und GW/KW-DSC kennengelernt haben (ist ganz ähnlich XP/.net GPOs ;-)) und alle Aufgaben unserer Lehrunterlagen selbständig durchführen konnten, waren wir schon fast fit für die Gerätekunde-Prüfung. Aber es war auch schon 18:00 Uhr und damit "End-of-Day-One". Daher war dann Schluß - und außerdem wartete Dany sehnsüchtig auf den Skipper - also ab nach Hause.

Während Sonntag dann - wie schon am Vortag - bestes Wetter die Cabrios und Spaziergänger aus den Häusern lockte, hieß es für uns wieder, um 8h00 aufzustehen damit wir auch pünktlich um 9h00 im Schulungssaal sitzen würden. Merde!

Anyway, denn auch heute hat sich der Unterricht wieder gelohnt - es waren Sprechfunkübungen angesagt: Sicherheitsmeldungen, Dringlichkeitsmeldungen, Notrufe, alles wurde abgesetzt, notiert, bestätigt (acknowledged wie man so schön sagt) und weitergeleitet. Klingt total easy, aber wenn man zum ersten Mal einen Funkspruch selbst mitschreiben muß, dann wird einem schnell klar, daß der Typ am anderen Ende der Leitung nicht mit halber Taktzahl denkt und spricht, sondern vielmehr seinen Text viel zu schnell "heruntergeratscht" hat. Noch schlimmer wird es, wenn man dann selbst einen Notruf aufgeben oder sogar weiterleiten soll: Ein bißchen nervös ist jeder, dann kommt die Frage "Wie war nochmal der Syntax/Aufbau ?" und spätestens bei der neunstelligen MMSI oder dem Rufzeichen (natürlich nach internationalem Rufzeichenalphabet zu buchstabieren) verhaspelt man sich dann auch garantiert. Bei einer Weiterleitung muß man dann noch einen netten Schachtelsatz aufbauen - und das sieht dann so aus:

Mayday
This is 211123456, Julia, DATZ
I received at 1600 UTC the following message

    Mayday
    This is 2116543212, Bremen, DETR
    Position 54°45'N 10°04E
    After collision with a floating container ship
    is sinking. Abandoning ship.
This is
Julia, DATZ
OVER

Leider empfängt man die Meldungen nur nicht direkt so schön formatiert und strukturiert....und das macht es einem ungeübten Funklehrling schon ganz schön schwer, die hintereinander gesprochenen Worte in die obige Struktur zu packen ;-) Aber dafür sind wir ja hier...

Nach dem Streß war dann die Gerätekundeprüfung am Nachmittag (auch wenn wir ein bißchen nervös waren) fast nur noch eine Formsache - bei dem guten Ausbilder kein Wunder- Telefaxe über Satellit zu verschicken gehört ja inzwischen zu unserem täglichen Brot...

 

Zwei Wochen später hieß es dann wieder am Samstag Morgen anzutreten - nur mit dem Unterschied, daß wir am Vorabend das Vortreffen 1 von 3 hinter uns gebracht hatten und dementsprechend über etwas Nachdurst, Schlafmangel und Kopfschmerzen klagten.

Dementsprechend begann der Tag für den Lipper auch erst mal mit einem saftigen Waterloo: Im üblichen morgendlichen Multiple Choice Test fiel er  mit 3 richtigen Antworten auf 20 Fragen durch - erlaubt sind 3 falsche Antworten auf 20 Fragen. Naja, man muß eben auch mal verlieren können.

Danach war die Vormittag schwerpunktmäßig der Satellitenkommunikation gewidmet und vertiefte die (zum Teil schon im Rahmen der Geräteprüfung aufgebauten) Einblicke in INMARSAT, SART-Transponder und EPIRBs. Wie man im Bild links sieht, ist eine INMARSAT-C-Anlage übrigens recht unspektakulär: Es handelt sich mehr oder weniger um einen stinknormaler PC mit einer textbasierten Anwendungsoberfläche. Die interessante Elektronik verbirgt sich komplett im Radardom und entzieht sich damit der näheren Begutachtung durch den technikinteressierten Laien. Also blieben wir bei der Theorie und untersuchten die funktionalen Unterschiede von INMARSAT-A bis -Mini-M, die verschiedenen Abrechnungsmodalitäten, die Beantragungsverfahren und und und....

Von INMARSAT kamen wir dann auch automatisch zum Thema EPIRB (Emergency Position Indicating Radio Beacon), da die 1,6Ghz funkenden EPRIBs ein Bestandteil des INMARSAT-Systems sind. Alternativ zu den sehr großen und teuren INMARSAT-EPRIBs gibt es noch die  COSPAS/SARSAT-EPIRBs, die auf 406MHz funken und von polumlaufenden Satelliten empfangen werden. Die sind zwar nicht in allen Bauformen unbedingt kleiner (siehe Bild links), aber schon erheblich günstiger zu bekommen...



Nach der vielen Theorie ging es dann wieder zurück zu den am letzten Wochenende begonnenen Sprechfunkübungen: Sicherheits-, Dringlichkeits- und Notrufmeldungen wurde wahlweise im GMDSS- oder NON-GMDSS-Verfahren abgesetzt, aufgenommen, weitergeleitet und bestätigt - zur Befriedigung aller auch schon erheblich flüssiger als noch am letzten Wochenende. Allerdings hat der Meldungssyntax in den beiden Verfahren kleine aber feine Unterschiede, was doch immer wieder zum Spicken in den Unterlagen zwang - ganz abgesehen vom Seefahrtsenglisch, welches auch für sattelfeste geschäftsenglisch-erprobte Fremdsprachler wie den Lipper und mich immer wieder Herausforderungen in Petto hatte.

Hatte man sich dann gerade an die verschiedenen Verfahren gewöhnt, wartete noch eine dritte Variante auf uns Schüler: Der Binnenschiffahrtsfunk. Damit man als ABZ´ler im Gegensatz zu Heinz Rühmann in "Drei Männer in einem Boot" frühzeitig über Funk vor dem nahenden Rheinfall gewarnt werden kann, müssen auch die deutschen Sprechfunkmodalitäten gelernt und geübt werden. Nach drei Tagen weltmännischem "Panama Radio, Panama Radio, Panama Radio, this is 312.435.654 Louis St. Laurent, CADF" klang dann "Revierzentrale Oberwesel, Revierzentrale Oberwesel, Revierzentrale Oberwesel, hier ist Güterschiff Mathilde" doch etwas langweilig.... Die unterschiedlichen Anrufkanäle (Welcher Kanal ist noch mal für "soziale Nachrichten" vorgesehen?), verschiedenen Sendeverfahren (Simplex, Semi-Duplex oder Duplex) machen das Thema aber beleibe nicht trivial. Also heißt es wieder auswendig zu lernen.

Um dem Lipper und Skipper auch noch die Chance zum Austausch "sozialer Nachrichten " zu Hause zu geben, bekamen wir von Costa Maritim dann noch eine Extrasitzung am Samstag Nachmittag - und mußten so  nicht wie der Rest am Sonntag Morgen wieder antreten. Mit Boris haben wir als "Kleingruppe" noch vier Stunden Meldungen in allen Variation geübt - wenn jetzt irgendwas in der Prüfung nicht klappt, lag es bestimmt nicht an unserem Lehrer...