OK, da sitzen wir jetzt in Warnemünde. Auf einem Schiff! Mitten im Oktober! Oktober? Der Oktober?  ....da wo's kalt wird und der Winter  vor der Tür steht?!?!? Naja, so ein bißchen hatte uns (den Skipper und den Lipper) doch noch mal die Segellust und der Wunsch nach einem standesgemäßen "Absegeln" erfaßt. Und da unser Leib- und Magen-Vercharterer einige kostenlosen Überführungstörns zum  Saisonabschluß im Programm hatte, mußten wir einfach zuschlagen. Und so wurden innerhalb einer halben Woche Flüge und Mietwagen gebucht, Freundinnen und Kunden vertröstet, die Sachen gepackt (das dauert für 3 Tage inzwischen nur noch 30min) und die Anreise nach  Heiligenhafen angetreten. Der Lipper erfuhr in Winterthur (CH) von seinem Glück und hatte gar keine Chance mehr, seinen Segelsack zu packen. Also mußte sein Bruder Martin helfen und der Skipper hat den Rest der Logistik besorgt.

Am Abend des 18. Oktobers waren wir dann gegen 22h00 nach verschiedenen Reiseetappen und -hindernissen (Mietwagen, Flieger, wieder Mietwagen und schließlich Taxi sowie notorisch spinnenden Navigationssystemen) endlich auf der „Manuela“ angekommen und konnten uns an das 32-Fuß Schiff(-chen) gewöhnen. Ja, wirklich nur 32 Fuß - definitiv das kleinste Schiff, das wir je gesegelt sind (mit Ausnahme des Skippers 470er Segeljolle). Da kommt der Lipper mit den Armen im Salon von der einen Seite der Bordwand an die andere. Aber der Kühlschrank war schon befüllt, das Bier lag parat und der Heizlüfter brummte fleißig. Man merkte (fast) gar nicht, daß es draußen ar* kalt war.....


Samstag morgen gegen 7h30 hieß es dann, sich aus den Kojen zu schälen (immerhin hatte jeder seine eigene -kleine- Doppelkoje). Nach kurzem Frühstück mußte die Übergabe in AK Tempo abgewickelt werden, hatte doch die Törnplanung anhand der Karten und des Hafenhandbuchs ergeben, daß wir uns Sputen mußten. Als einzig brauchbare der nicht vielen Törnvarianten (genau zwei Alternativen) sollte folgende Plan durchgeführt werden: Realistischerweise wollten wir Samstag über die Lübecker Bucht bis Warnemünde (bei Rostock) segeln, Sonntag bis Stralsund und Montag bis Greifswald.

Aufgrund der am Vorabend ausgefüllten Schiffs-Checkliste und der Charterroutine war die Übergabe flugs erledigt und es hieß: „Hoch mit der Marie“ (seit dem Kroatien-Törn das fachmännische Substitut für „Heiß auf das Groß“. Um 10h00 setzen wir zum ersten mal die Segel und die Wetterberichte hatten nicht gelogen: Wenig heiter, eher wolkig, 2°-7° C Lufttemperatur, (die Wassertemperatur wollten wir nicht ausprobieren) und 4 bis 5 Bft, auffrischend 6 Bft, aus West schoben uns kräftig nach Osten. Das war ein klarer Schmetterlingskurs und da wir auf dem Atlantik ja so ein paar Sachen gelernt hatten, wurde die Genua diesmal ausgebaumt und stand die 40 sm nach Warnemünde wie eine Eins!

Die kleine Manuela kam mit 5,7kn  Durchschnittsgeschwindigkeit sogar recht flott voran, wobei Böen und die Welle teilweise zu atemberaubenden 7,3kn verhalfen. Wir wissen, auf dem Atlantik hatten wir über 13kn, aber für die jetzige Schiffsgröße war das schon fast genau so schnell - relativ gesehen - man nimmt, was man kriegen kann.... Nach sieben Stunden geradeaus erreichten wir dann Warnemünde, ein kleines, gemütliches Hafenstädtchen (wobei nur der Kartenkurs geradeaus ging, denn die kleine Bavaria legte unter dem Einfluß der Welle schon mal schnelle 30-60° Kursänderungen ein, Manuela ist halt eine Tänzerin).

Leider hatte die Duschtante noch etwas sozialistisches Blut in den Adern, denn um 17h55 verweigerte sie uns den Eintritt mit dem Hinweis, daß sie um 18h00 schließen würde. Soviel zum Thema Servicewüste Deutschland. Anyway, die Scholle mit Bratkartoffel, Zwiebeln und Speck wartet, das Wetterfernschreiben läuft, der „Meikel Schorsch“ (George Michael) plätschert aus der Bordanlage, was will man mehr.....

Brrr! Brrrrr!! Brrrrrrrr!!! Und auch Grrrr! Warum tun wir das? Der Leser möge sich einfach folgendes Vorstellen: Es ist Sonntag - der Tag der Ruhe. Am Vorabend „lecker“ Essen und 2 kalte Flens, anschließend nette Unterhaltungen, gemütliches Lesen und Musikhören, Capucchino, irgendwann in die Koje und dann das: um 05.30 Uhr klingelt der Wecker, draußen ist es natürlich noch dunkel und sehr sehr kalt, keine Möwe, kein Schwan, kein Vogel rührt sich. Kein warmer Sonnenaufgang zu erwarten und dann auch noch über 60 sm durch die unwirtliche Ostsee als Perspektive für den Tag.

Gottseidank war der Lipper 15 min. vor dem Skipper aus der Koje getaumelt und hatte den Kaffee-den-ich-morgens-zum-Leben-brauche-Prozeß angeworfen. Also schnell Katzenwäsche (hatten wir schon erwähnt, daß es keinen Elektro-Warmwasser-Erhitzer gab? Auch keinen Wärmetauscher am Motor?), ab in die Segelkluft und mit klammen Fingern Landstromkabel eingesammelt, Leinen gelöst und Good-bye geseufzt. Diese Pier mit direkt daran liegender italienischer Flaniermeile hatte schon was... Aber das war gestern Abend, also „Stop mit Jammern“, und bei Nacht und Nebel die Ausfahrt finden. War - bis auf den unbeleuchteten Poller am Ende des Kanals in dem wir lagen - ganz einfach (gut das wir uns den am Vorabend eingeprägt hatten).

Dann sollte uns ein wundervoll mit BB und StB Bojen befeuerte Kanal Richtung offene Ostsee führen. Ein bißchen fühlten wir uns wie Piloten im Landeanflug, so war das da illuminiert. Allerdings nicht exklusiv für uns, sondern für die andauernd ein- und auslaufenden schwimmenden Hotels (Fähren). Der Hafenmeister funkte uns denn sogleich an, als er sah, daß sich da eine einsame Toplaterne in Richtung Landeanflugsschneise bewegte. Nach der Frage nach dem woher und wohin (ach, Schiiite, wir hatten ja auch noch gar keine Hafengebühr gelöhnt) gab er uns dann die Freigabe zur Benutzung dieses Leuchtfeuerspektakels - einer dieser schwimmenden Stahlkoloße war noch Meilen entfernt und wir durften auslaufen. Die ersten 2-3 Meilen machten wir unter Motor, aber dann packte und schon wieder die Unruhe, die Luftmassenbewegungen hatten auch ihren gewerkschaftlich zugesicherten Sonntag in den Wind geschrieben und hatten eine Menge Energie zu bieten. „Hoch mit der Marie“, „Baum aus die Genua“ und schon gings wieder mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit Richtung Rügen. Der Spitzenspeed des Tages auf der Logge meißelten wir wieder bei 7,3 kn ein, daß GPS zeigte 8,3 kn Speed max. Wir waren glücklich.

Weitere Highlights des Tages waren das Steuerlied (Melodie vom Ketchup Song mit Parodie Text-/ Stimme von G. Schröder), welches offensichtlich auf vielfachen Hörerwunsch 2x von RSH wiederholt wurde, dazu plötzlich einsetzender Hagel während des Vormittags, die Zwiebelsuppe (die beim Skipper ungeahnte „Kräfte“ freisetzte), abgebaute Hafenmeister- und Duschcontainer (wieder nicht Duschen, aber auch wieder keine Hafengebühr) und abgeschaltete Stromanschlüsse (schade, kein Heizlüfter heute), ein lecker Abendessen in einem schön restaurierten Hafengebäude in Strahlsund ...UND....die vom Lipper aufgestöberte „Alte Hafenkneipe“, die definitiv authentischste Hafenkneipe, die er seit seiner „Z Hamburg“ Zeit gesehen hat. Gäste, Wirtin, Gesprächsstoff, Dekoration, Verraucht- und Verruchtheit, also das gesamte Ambiente, waren einfach sprichwörtlich umwerfend. Aber der richtige Knaller war die Musik: Zarah Leander (Vergiß’ Marlene Dietrich!!!) durfte Ihre alten Schinken vom Anfang-Mitte des letzten Jahrhunderts zum besten geben - und alle fanden’s gut. Sehr geil!!! Gesättigt und wiedermal glücklich fielen wir in die Kojen.

Endlich mal ein Montag zum Ausschlafen!!!!! Denkste - die normale Montagsroutine (05:30 Uhr aufstehen) zog auch hier, jedenfalls war der Lipper ab 06:07 Uhr schon total unrastig. Der Skipper verdaute anscheinend noch die Zwiebelsuppe des Vortages und hatte sich gemütlich in der Achterkajüte eingekuschelt. Um 08:30 Uhr trafen sich die beiden zu Kaffee und Müsli-Frühstück, und um 09:00 Uhr hieß es Leinen los zur letzten Etappe, knappe 30 sm bis Greifswald. Und einem - schon am Morgen zu genießenden - tollen Erlebnis. Zugbrückendurchfahrt der Ziegelgrabenbrücke - sehr nett.

Als ausgleichende Gerechtigkeit für dieses Zuckerli und den guten Wind der ersten zwei  Tage gab es nun das ganze mal anders herum - also 4-6 Bft genau von vorne. Jetzt wurde es doch „a weng“ ungemütlich. Da auch noch starker Regen einsetzte, konnten die beiden stellenweise fast nichts mehr sehen. Damit war dann der richtige Moment für den Einsatz der Sonnenbrille gekommen (s. Photo). Nicht so sehr als Schutz gegen Sonne, mehr so als Augapfelprotektion gegen einprasselndes Süßwasser von vorne oben. Da wir nun den ganzen Tag einem recht eng ausgebaggertem Fahrwasser Richtung Süden folgen mußten und der Wind genau aus Richtung Süden blies, mußte der Dieselmotor zeigen, was er drauf hatte. Wir hangelten uns von Boje zu Boje und kurz vor dem designierten Ziel – Einfahrt zum Greifswalder Kanal – kamen wir doch noch auf einen Kurs zum Segelsetzen.

Trotz der mittlerweile etwas phlegmatisch gewordenen Psyche (wen wundert’s bei dem Wetter) war das schließlich die letzte Chance zum richtigen Dickschiffsegeln für dieses Jahr und das sollte schließlich ausgenutzt werden. Der Leser weiß was kommt: „HmdM“ (Hoch mit der Marie) und los gings auf unseren ersten coolen Am-Wind-Kurs mit der 32er über die Greifswalder Bucht. Ist schon schick, wie man so ein „Böötchen“ auf die Seite legen kann, kurzer Lupf an der Großschot oder wahlweise kleine Böe, und schon geht die Post ab. Weit über die Bucht klangen die Glücksseufzer und Freudenschreie. Ach, was war das schööööööööön. Und schon wieder waren der Skipper und Lipper richtig !Glücklich! Viel zu früh war dies Erlebnis zu Ende, eine kleine Zugbrücke blockierte die Einfahrt zum Kanal Richtung Greifswald. Da muß man sich wohl gedulden.

Also um 13:30 Uhr lässig mit einer fliegenden Leine an einem Boxen-Pfosten festgemacht, Nase im Wind, um gegen 14:00 Uhr die dann hoffentlich hochgeklappte Brücke zu passieren. Wehmütig wurde das letzte Bier geöffnet, brüderlich geteilt und andächtig und genußvoll gelenzt. Irgendwie war es dann 14:00 Uhr - und an der Zug-Brücke tat sich mal so richtig gar nichts. Hmmm, was’ denn nu’ los. Wir hatten ja schon überlegt, noch einen Abendflieger zurück zum Job zu bekommen, auch um des nächstmorgendlichen 05:15 Uhr Weckers zu entgehen. Ein Gespräch mit den örtlichen Fischern ergab: Die machen erst um 15:00 Uhr auf – und dann auch zum letzten Mal für diesen Tag. Ufff - also noch eine Stunde warten? Schade, daß Stündchen hätten wir lieber draußen auf freier See und segelnd verbracht. Und noch mal „Uff“, weil zuvor die Überlegung im Raum stand, die Ziegelgrabenbrücke (s.o.) erst mit der auf unsere 09:20 Uhr folgende 12:20 Uhr Öffnungszeit zu passieren. Das wäre dann der berühmte „Griff ins Klo“ geworden. So nah am Ziel, doch dann: „die Brück’ macht nicht mehr auf“. Egal, ist ja nix passiert. Schwein gehabt! Aber das braucht man bekanntlich ja manchmal auch...

Der Rest ist schnell erzählt. Durch einen wundervoll romantischen, weidengesäumten Kanal motorten wir Richtung Greifswald, zählten die - scheint dort in der Gegend echt eine Art Volkssport zu sein - zahlreichen Angler (Skipper: 157, Lipper 156 - wir sind aber nicht zurückgefahren, um eine Kontrollzählung vorzunehmen) und genossen die letzten Meilen auf dem Schiff. Dann das übliche: Tankstelle finden und Boot auftanken, Marina finden, richtige Box finden und festmachen, Übergabe des Bootes mit Checkliste abhaken anders herum, Mietwagen abholen, Duschversuche, Seesack packen so weit es geht und Landfein machen für den letzten Abend. Der war auch sehr nett, mit Skipper-Dinner im „alten Fritz“ und Störtebecker Bier (der Lipper war sooo glücklich), Kino (Vin Diesel als Triple X ist cool, aber die Klasse von 007 hat er noch lange nicht) und zusätzliches Mitternachts-Dinner an Bord.

Dienstag morgen! 05:15 Uhr!! Wecker!!! Rest vom Seesack packen und Schlafsack falten, 06:00 Uhr im Mietwagen, Notebook aufgeklappt und Route suchen, kurzes Verirren mitten in der Pampa von E-Deutschland und ...... - oh strahl - oh Glück - auf eine Autobahn treffend, die kein Mensch (und kein Navisystem) auf der Landkarte hatte. Weit vor Zeit in Berlin-Tegel Flughafen eintreffen, Check-In, Fliegerverspätung, vorbestelltes Taxi wartet ca. 1h, wird dann auf Rückweg auf Autobahn von Zivilpolizei verfolgt, Videokamera Beweis, zu schnell, hmm, weitere 20 min. Verzögerung, dann Bierkutscher-mit-Busfahrer-Streit in einer der Hauptverkehrsstrassen Wiesbadens, ähemm, wir waren dann so gegen 13.30-14:00 Uhr auf der Arbeit. Schade....geplant war so ca. 12:00 Uhr.

Wrap-Up:

Es war klasse! Extrem klasse!! Die Ostsee war quasi leer, Skipper und Lipper haben gezeigt, daß sie auch ohne ausführende Crew ein Boot problemfrei führen können und sich dabei auch nicht in zu wilden Manövern verstricken (Die wahren Geschichten sind wie immer Bordgeheimnis). Beide wissen tatsächlich noch, wie „backen und banken“ funktioniert, sind ihre eigenen Proviantmeister, Frühstücksbereiter, seemannschaftliche Aufklarer aller Tampen und können immer noch alleine an- und ablegen. Selbst bei für das Boot relativ gesehene „Schwerwetter“ (wirklich in Anführungszeichen!!!) klappten alle Manöver ohne Probleme - und vor allem zügig ohne (viele) Worte. Interessant ist, daß es wirklich nicht viel Worte an Deck gab - wir haben in den drei Tagen hauptsächlich das Segeln genossen. Alles in allem war es super – ein toller Törn zum Abschluß der Saison – und jetzt freuen wir uns auf die in zwei Wochen beginnende Snowboard Season...