Samstag, 25.05.2002 - Meister Proper - sauber, daß man sich drin spiegeln kann..


Kurs

N/A

Position

N  38° 41.6'

Geschwindigkeit

N/A

W   9° 24.9'

Etmal

N/A

Cascais, Portugal

Distanz

Gesamt

4979sm

Wetter

19°
1018hPa
2 Bft SW
heiter

unter Segeln

4050sm

unter Motor

  929sm 


Will man den Tag in einen Satz fassen, so könnte der lauten "Der Lipper schraubt (mal wieder), Markus und Tine fliegen schneller als ihr Gepäck (von FFM nach Lissabon) und Tom, Jonna, Uli und Miriam fahren mit dem Vorort-Zug  nach Lissabon .... und sind so begeistert, daß sie  den Lipper auf dem Schiff "versauern" lassen.. :o)". Nun, mal wieder ist die Story bei uns komplexer als nur in einem Satz zu fassen.....Los gehts:

Ein Teil der Crew muß unbedingt richtigstellen, daß versauern für dies "Alleine lassen" vielleicht das falsche Wort ist. Die "Fantastischen Vier" (Reise-und Kulturabteilung der Julia) waren so von der Liebesbeziehung zwischen dem Lipper und seiner inzwischen wieder immaculate´n (z. Dt. "unbefleckten", "makellosen") Julia überzeugt, daß sie nicht damit rechneten, die beiden heute noch trennen zu können.

Aber der Reihe nach. Für den Lipper gab es wieder einen Tag mit Schrauben, Putzen, Reparieren. Böse Zungen behaupten ja inzwischen, daß er nur mitsegelt, weil auch eine Werkzeugkiste an Bord ist. Aber er bestreitet das vehement - auch wenn er jeden Morgen den Abdruck eines 18er Schlüssels auf der Wange hat....  Im Ernst, er hatte am Vortag ganz Cascais verrückt gemacht, auf der Suche nach geeigneter Unterstützung lokaler GFK-Spezialisten und Reinigungsmatadore inkl. deren Motivationsversuche, damit am Samstag doch noch gearbeitet werden konnte - und zwar an der "Julia". Das Ergebnis verschiedener Hafenrecherchen (inkl. in deren schummerigen Kneipen) war eine starke Mannschaft, die mit ihm das Boot von oben bis unten putzten und schrubbten. Und zwar und so richtig von oben bis unten: Unsere Bordwand sieht wieder weiß aus und die Kratzer sieht man nur noch noch, wenn man vorher wußte, daß sie da sind. Das Deck wurde geschrubbt und gereinigt, daß man sich drin rasieren konnte. Selbst die Rostflecken, die die uralten Gasflaschen hinterlassen haben, sind verschwunden. Leider ließen sich aber die achterliche BB-Klampe und das vordere WC nicht fixen. Im Gegenteil, jetzt geht auch noch der Abfluß für das Waschbecken kaputt. So ein Mist. Aber egal. Auch damit werden wir Leben können (müssen).

Währenddessen war aber auch die Ausflugsmannschaft nicht faul - hier der dramaturgisierte Bericht über die Reiseaktivitäten in "Lisboa" :

In Lissabon ging es stundenlang zu Fuß durch das Bairro Alto zum Cafe A Brasiliera (siehe Bild), wo arrogant faule Kellner die Vier zunächst verdursten ließen, zum Elevadore von dem man an einem wolkenlos sonnigen Tage wie heute eine fantastische Aussicht über die Stadt und den Tejo hat, am Rossio vorbei durch die Unterstadt "Baixa" um nach längerer Suche und Warten endlich in die antiquitierte Straßenbahnlinie 28 zu steigen die das Quartett zum Sundowner Castello Sao Jorge  oberhalb der Alfama, dem ältesten und verfallensten Stadtteil dieser wunderbaren Stadt bringen sollte. Noch einmal eine Stunde Aussicht genießen und dann meldeten sich auch schon wieder die gierigen Touristenmägen so unüberhörbar, daß es unverantwortlich gewesen wäre, ungegessen in eines der schmachtenden Fadolokale der Alfama einzufallen.

Doch hat die Alfama nicht nur Fado sondern auch wunderschöne Hinterhoflokale zu bieten, wo wir uns die verlorenen Kalorien in Form leckeren Fisches zurückholen konnten. So gestärkt fanden wir dann noch ein äußerst uriges und authentisches kleines Lokal in dem der Wein in vier verschiedenen Senfgläsern serviert wurde  und die alternden Schönheiten des Viertels in Begleitung zweier Gitarren die melancholischen Hits ihrer längst verblühten Jugend sangen. Wunderbar! - ...bis zu dem Augenblick als wir feststellen mußten, daß auch alternde portugiesischen Grazien nicht frei von Stutenbissigkeit sind und sich ein hitziger Streit zwischen der Sängerin und der zeitgleich in der Küche geschirrklappernden  (und somit den Gesang störenden) Wirtin entwickelte. Leben pur, und gleichzeitig ein guter Zeitpunkt die Heimreise zum Boot nach Cascais anzutreten.  

Während sich also ein Teil der Crew in Lissabon vergnügte und der Lipper schraubte (und dabei das Äquivalent zum Fahr- bzw. Kochbier vertilgte), spielten sich nicht unweit Tragödien ab. Wie bei jeder guten Tragödie, begann alles ganz harmlos:

... das Rauschen der Motoren, Öl auf dem Asphalt der Landebahn, majestätisch schwebt der Airbus A300-600 der Deutschen Lufthansa auf Landebahn Null-Drei ein. Auf der Gangway: nein, nicht der Schah von Persien, aber mit ähnlich viel Gepäck: Tine und Markus. Vorfreude auf eine Dusche, frische Kleidung und einen ersten Willkommenstrunk im Kreis der Lieben läßt sie zum Gepäckband schreiten (erfahrene Vielflieger wissen bereits, wohin das Blatt der Geschichte sich wendet). Warten, warten, warten... dann einige zerfetzte Taschen, die bei näherer Inspektion nicht den beiden gehören (Tine hatte noch nie einen MonChiChi-Affen als Maskottchen an der Reisetasche), langsam Unruhe unter den Wartenden, und plötzlich stoppt das Band. Die Dame von der Lufthansa hat beider Namen auf ihrer Liste (natürlich wußten sie dort schon längst, daß das Gepäck erst mit der nächsten Maschine kommt, kurz vor Mitternacht !) und verweist auf den Lost-And-Found-Schalter. Stunden später (Details der Prozedur wollen wir den Lesern ersparen) und mit dem festen Entschluß, daß irgend jemand dafür büßen muß, machten sich die Gepäcklosen mit dem Taxi auf nach Cascais, aktueller Hafen der Julia.

Und endlich die ersten Streicheleinheiten für geplagte Augen, viel Frühlingsblüte, bezaubernde Häuschen, Schlößchen, Anwesen, immer wieder Blicke auf das azurblaue Meer (der Autor muß hier zugegeben, daß er keine Ahnung von Herkunft und Bedeutung des Wörtchens "azur" hat; um Aufklärung via Gästebuch wird gebeten) und bald das Ortsschild von Cascais. Unsere Augen (ich muß jetzt auf die erste Person wechseln, damit wird es leichter für mich) hatten wir aber nicht nur für die Schönheiten von Natur und Architektur reserviert, sondern auch für die Infrastruktur-Sehnsüchte von Menschen ohne Gepäck ("...schau! ein Einkaufszentrum..."; "... hier! ein Supermarkt..." ).

Was soll's, erst mal zur Julia, die Crew wartet doch schon auf uns. Dachten wir... in Wirklichkeit war Fabian in München (hast Du ihn auch gut bekocht, Danny?), Lipper beim Einkaufen (vier Paletten Bier und ein paar Dosen Tomatenmark als Alibi sahen wir bei der Anlieferung) und der Rest beim Sightseeing in Lissabon. Da hielt es uns auch nicht mehr, wir machten uns zu Fuß auf in die Innenstadt, um die Lufthansa bluten zu lassen und die notwendigsten Utensilien für eine erste Nacht an Bord zu erstehen.

Anschließend mit Lipper, Bier und Wein in einem erstklassigen Restaurant (zu blöd, daß die Küche schon zu hatte, als wir beim Öffnen der Weinflasche nach der Speisekarte fragten; ihre ofenwarmen Cashewnüsse waren zwar ein Hit, aber nicht sättigend) und weiteren Bars des Hafenviertels (in der vierten Bar gab es dann doch noch fantastische Hamburger) trafen wir die aus Lissabon zurückgekehrten Seebären auf Deck wieder und waren, bis auf Fabian und den noch ausstehenden Sonntagsankömmlingen Natalie und Luke, wieder eine große Crew. Und schliefen müde, selig und von unserem Gepäck träumend in unseren Kojen ein.